Frau

Historische Gründe für die Entstehung von Dialekten

Im 5. bis 8. Jahrhundert n. Chr. wurde das Gebiet der heutigen deutschsprachigen Länder von den Stämmen der Alemannen, Bajuwaren, Franken, Friesen, Sachsen und Thüringer besiedelt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass alle diese Stämme bereits individuelle Sprachen besaßen, die zwar miteinander verwandt waren, sich aber erheblich voneinander unterschieden. Die Kleinräumigkeit des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Entstehung der Sprachen in dieser Zeit der Einzelsiedlungen. Natürliche Grenzen in Form von Wäldern, Flüssen oder Bergen wurden zu Grenzen der Besiedlung und der Abgrenzung der Stämme untereinander. Darüber hinaus verlangsamten die schlechten Transportmöglichkeiten, der Handel und die wirtschaftlichen Interaktionen die Integration zwischen den Stämmen. Im 9. und 10. Jahrhundert n. Chr. kam es auf deutschem Gebiet zu bedeutenden staatlichen Umgestaltungen. In dieser Zeit entstanden unter der Herrschaft Karls des Großen die Herzogtümer Bayern, Franken, Lotharingien, Schwaben und die Grafschaft Thüringen. Die staatlichen Veränderungen waren der erste Grund für die sprachlichen Veränderungen.

Als die neuen unabhängigen Staaten gegründet wurden, begannen sich die damals bestehenden Stammessprachen zu verändern und an die benachbarten Übergangsgebiete anzupassen. Die feudale Zersplitterung, die im 12. Jahrhundert in Deutschland stattfand, spielte eine wichtige Rolle bei der Entstehung der deutschen Dialekte. Mit dem Entstehen der neuen Feudalstaaten hörten die Stammessprachen auf zu existieren, und jeder Staat nahm seine eigene, territorial begrenzte Sprache an. Aufgrund des damals entwickelten Handels hatten diese Sprachen ein großes Verbreitungsgebiet über die geografischen Grenzen der Länder hinaus.

Ein weiterer Faktor für die Zersplitterung der deutschen Dialekte ist das lange Fehlen einer einheitlichen Schriftsprache. Die Vorherrschaft mündlicher Kommunikationsformen behinderte die Bildung und Entwicklung einer einheitlichen Sprachnorm.

Linguistische Gründe für die Entstehung von Dialekten

Linguistisch gesehen war eine zweite Konsonantenverschiebung für die Entstehung der deutschen Dialekte entscheidend. Das Ausmaß, in dem die Dialekte an dieser Bewegung beteiligt waren, war auch die Hauptgrundlage für ihre Klassifizierung. Die zweite oder obergermanische Konsonantenbewegung bezieht sich auf einen phonetisch-morphologischen Prozess in der Geschichte der germanischen Sprachen. Dabei veränderten sich in den südlichen Landesteilen die stimmhaften und stimmlosen Konsonanten des Germanischen, während im niedergermanischen Sprachraum die üblichen germanischen Register erhalten blieben. Man nimmt an, dass dieser Prozess im 6. Jahrhundert nach Christus begann. Der Prozess der zweiten Konsonantenbewegung war ein mehrphasiges und lang andauerndes Phänomen, das auch nach der Entstehung des Althochdeutschen im 8. nachchristlichen Jahrhundert noch nicht abgeschlossen war.

Die Gründe für diesen phonetisch-morphologischen Prozess sind noch unbekannt. Die zweite Konsonantenbewegung betraf vor allem die stimmlosen Register /r/, /t/, /k/. Die Veränderung der Konsonanten erfolgte je nach klanglicher Umgebung in unterschiedlicher Weise. So wurden aus den stimmlosen Registern /r/, /t/, /k/ nur in der Position nach dem Vokal die stimmlosen Spiranten ff, zz, hh. Dieser Lautwandel verbreitete sich im gesamten obergermanischen Sprachraum. In der Endsilbe oder nach langen Vokalen wurden diese Spiranten zu Einsilbern verkürzt, z. B. germ. slêpan ~ ahd. slāfan (ein einfacher Frikativ in Stellung nach einem Vokal). Die Verschiebung der germanischen Register /r/, /t/, /k/ in Richtung Affrikativ pf, tz(z), kch(ch) erfolgte in verschiedenen Positionen: – erste Silbe eines Wortes – nach Konsonanten – nach reduplizierten -pp-, -tt-, -kk-. Dabei bleiben die germanischen Register /r/, /t/, /k/ in Lautkombinationen unverändert: sp, st, sk, ft, ht, tr. Im Allgemeinen sind die Grenzen zwischen den einzelnen Klangveränderungen eher fließend.